Anlegen

Die Lage in der Türkei bleibt angespannt

Die in den nächsten zwölf Monaten fälligen auslän­di­schen Kredite der Türkei sind viel höher als die Devisen­re­serven der türki­schen Natio­nalbank. Auf europäi­scher Ebene belaufen sich die Kredite an die Türkei aller­dings auf nur 1 % aller Ausleihungen.

Die Türkei hat schwer­wie­gende Probleme

Grund­sätzlich können die Verwer­fungen in der Türkei über verschiedene Kanäle auf andere Länder bzw. Märkte überschwappen. Die Probleme der Türkei sind gravierend, weil das starke Wachstum der letzten Jahre zu bedeu­tenden Teilen mit auslän­di­schem Kapital finan­ziert worden war und die Devisen­re­serven nicht ausreichen, um den kurzfris­tigen Fällig­keiten nachkommen zu können. Die externe Verschuldung der Türkei beläuft sich auf rund USD 450 Mrd. (53 % des BIP) und die in den nächsten zwölf Monaten fälligen Kredite im Umfang von USD 180 Mrd. sind viel höher als die Devisen­re­serven der türki­schen Notenbank, die sich auf USD 80 Mrd. belaufen. Dazu kommt das Leistungs­bi­lanz­de­fizit von 6 % des BIP, das zu einem ständigen Devisen­ab­fluss führt.

Die Risiken sind auf wenige europäische Banken konzentriert

Rund die Hälfte der Fremd­wäh­rungs­schulden, nämlich USD 220 Mrd. sind durch Banken, vorwiegend aus dem EU-Raum, vergeben worden. Davon entfallen USD 81 Mrd. auf Spanien, gefolgt von Frank­reich (35 Mrd.), Italien (18 Mrd.) und UK (19 Mrd.). Bei der spani­schen Bilbao (BBVA) entfallen doch rund 10 % der Auslei­hungen auf türkische Schuldner, wobei die Kredite von der türki­schen Tochter­ge­sell­schaft Garanti vergeben wurden. Im (schlimmsten) Fall eines Kollaps der Garanti müsste die BBVA nur das inves­tierte Eigen­ka­pital abschreiben, was für die BBVA keineswegs existenz­be­drohend ist. Weniger stark exponiert sind die italie­nische Unicredit (4 %), die nieder­län­dische ING und die franzö­sische BNP Paribas (2 %).

Der europäische Banken­sektor ist stabiler als noch vor zehn Jahren

Auf europäi­scher Ebene belaufen sich die Kredite an die Türkei auf nur 1 % aller Auslei­hungen. Mit anderen Worten sind die Risiken auf wenige Banken konzen­triert. Für ein Übergreifen auf den europäi­schen Banken­sektor sind die Forde­rungen gegenüber der Türkei gesamthaft aber zu klein und der Banken­sektor ist in Europa nicht mehr so stark verflochten wie vor zehn Jahren. Auf der Handels­ebene dürfte die türkische Währungs­krise kaum grosse Spuren hinter­lassen, zumal nur rund 1.5 % der Ausfuhren der Eurozone in die Türkei gehen.

Schwel­len­länder könnten in den Sog geraten

Grössere Sorgen bereiten uns die Risiken, dass weitere Schwel­len­länder unter Druck geraten und die Ausein­an­der­set­zungen auf der politi­schen Ebene eskalieren. Viele Emerging Markets stehen seit einigen Monaten unter Druck. Ausschlag­gebend dafür sind die restrik­tivere US-Geldpo­litik, der Handels­kon­flikt mit den USA und die in den letzten Jahren gestie­genen Auslands­ver­schul­dungen. Mit Blick auf die Leistungs­bi­lanz­über­schüsse und die Devisen­re­serven stehen die asiati­schen Länder aber grund­sätzlich auf soliderem Fundament als in den 90er-Jahren. Deshalb glauben wir nicht, dass die Emerging Markets generell in Sippenhaft genommen werden.

Höhere US-Zinsen beein­träch­tigen globale konjunk­tu­relle Dynamik

Dass höhere US-Zinsen Kapital­ab­flüsse aus den Wachs­tums­märkten auslösen, ist ein immer wieder zu beobach­tendes Phänomen. Aller­dings sind in den letzten Monaten auch Währungen von Ländern mit hohen Leistungs­bi­lanz­über­schüssen wie z.B. China, Korea oder Thailand unter Druck geraten. Dies verdeut­licht, dass die Befürch­tungen eines eskalie­renden Handels­krieges mitspielen. Die Noten­banken in diesen Ländern sehen sich gezwungen, die Zinsen zu erhöhen, um die Währung bzw. die Inflation zu stabi­li­sieren. In der Folge müssen die Wachs­tums­er­war­tungen nach unten revidiert werden, was auch die konjunk­tu­relle Dynamik auf globaler Ebene beein­träch­tigen wird.

Wie weiter in der Türkei?

In der Türkei selbst wird kaum rasch Ruhe einkehren. Einzig ein Hilfs­paket des IMF könnte die Lage entspannen, was Erdogan aber kaum zulassen wird. Früher oder später wird Erdogan in der Türkei vermutlich an Rückhalt verlieren. Ob er dann zu Konzes­sionen (gegenüber den USA) bereit ist oder andere Partner­schaften mit Ländern ausserhalb der Nato sucht, ist derzeit kaum abzuschätzen. Im Fall eines Nato-Austritts der Türkei würde das ohnehin intrans­pa­rente Macht­gefüge im Nahen und Mittleren Osten noch komplexer.

Gesamthaft haben wir den Eindruck, dass die globalen Markt­re­ak­tionen auf die türkische Währungs­krise übertrieben sind. Zwar haben ähnliche Markt­phasen in Vergan­genheit häufig auch Oppor­tu­ni­täten geschaffen, wir gehen aber nicht davon aus, dass eine rasche Beruhigung eintreten wird.

 

 

 


Weitere Beiträge von