Robin Bretscher, Gründerin von Turicana
Gastbeitrag

Zürcher Geschichte zeitgemäss erzählt

Welche Bedeutung hatte die Seiden­in­dustrie für das Entstehen des Zürcher Finanz­platzes? Wie erlebte die erste Generation der italie­ni­schen Gastar­beiter ihr neues Zuhause? Wie kam es, dass die Zürcherin Emilie Kempin-Spyri in New York eine Schule für Rechts­wis­sen­schaften gründete? Robin Bretscher, Gründerin von Turicana.com, bringt uns Zürcher Geschichte mit ihren Podcasts auf spiele­rische Art und Weise näher.

Frau Bretscher, weshalb Zürcher Geschichte?

Ich liebe es, mich intensiv mit einem Thema ausein­an­der­zu­setzen. Als mein Studium der Anglistik und Deutscher Litera­tur­wis­sen­schaften im letzten Sommer zu Ende war, da brauchte ich sozusagen ein neues Thema. Und ich habe reali­siert, dass ich sehr wenig über Schweizer- oder Zürcher Geschichte weiss. In Zürich bin ich aufge­wachsen und zuhause und so lag das Thema sozusagen vor der Haustüre.

Geschichte ist für viele eine tote Materie. Weshalb ist es Ihnen ein Anliegen, Zürcher Geschichte zu vermitteln?

Wer die Vergan­genheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht einordnen und die Zukunft nicht planen. Das mögen grosse Wort sein. Aber in unserer Geschichte liegt der Grund­stein für das Jetzt. Nehmen wir zum Beispiel den Seiden­handel im 16. Jahrhundert: Die Seiden­han­dels­häuser dieser Zeit vergaben Kredite und legten so den Grund­stein zur heutigen Finanz­in­dustrie. Viele meiner Freunde und Bekannten wissen wenig über unsere Geschichte und das möchte ich ein klein wenig ändern.

Weshalb denken Sie, ist Geschichte für viele nicht wirklich sexy?

Einer­seits wird Geschichte in der Schweiz vor allem vom rechten Partei­spektrum instru­men­ta­li­siert. Da werden Mythen hochge­halten, die es so gar nie gab. Und wer nicht rückwärts gerichtet erscheinen möchte, der lässt die Finger davon. Anderer­seits habe ich festge­stellt, dass viele junge Schwei­ze­rinnen und Schweizer nicht wirklich stolz sind auf unser Land. Weshalb ist das so? Ich weiss es nicht, aber ich reali­siere immer mehr, dass es in unserem Land viele heraus­ra­gende Persön­lich­keiten gab, die zumindest bei den jüngeren Genera­tionen in Verges­senheit geraten sind.

Weshalb haben Sie zur Vermittlung Podcasts gewählt?

Ein Podcast ist eine sehr kompri­mierte Form der Wissens­ver­mittlung. Viele hätten wohl kaum Zeit, in die Zentral­bi­bliothek zu gehen und Bücher zu wälzen. Ein Podcast kann man unterwegs, zuhause beim Putzen oder sonst wo hören. Ich selber bin ein grosser Podcast-Fan, nicht zuletzt deshalb, weil man darin verschiedene Erzähl­formen verknüpfen kann.

Was erwartet uns in den nächsten Folgen auf Turicana?

Nach den zwei Beiträgen zur Entwicklung der Seiden­in­dustrie konzen­triere ich mich auf Persön­lich­keiten. Den Anfang macht Emilie Kempin-Spyri. Es werden aber auch Persön­lich­keiten sein, die man in der Öffent­lichkeit nicht kennt. Zurzeit beschäftigt mich das Thema italie­nische Einwan­derung in Zürich. Und es werden Frauen zu Wort kommen, denn Geschichte ist dominiert von Männern. Man muss nicht lange nach beein­dru­ckenden Frauen in der Schweizer oder Zürcher Geschichte suchen, aber sie wurden lange komplett ignoriert. Ihnen möchte ich den Platz geben, den sie verdienen.

 

Robin Bretscher

Robin Bretscher, geboren 1991 studierte Anglistik und Deutsche Litera­tur­wis­sen­schaften. Sie verant­wortet u.a. das Digital Marketing von Alprausch, dem Unter­nehmen ihrer Eltern.

Rahn+Bodmer Co.

Die Geschichte von Rahn+Bodmer Co. ist eng mit der Seiden­in­dustrie verknüpft. 1750 gründeten die Zürcher Kaufleute Caspar und Hans Conrad Schul­thess am Limmatquai im Haus «Zum gewun­denen Schwert» ihr Seiden­han­delshaus. In der Lombardei lernte Hans Conrad Schul­thess neben dem Seiden­ge­schäft den Handel mit Effekten und Wechseln kennen. Auf diese Aktivi­täten führt der Ursprung der heutigen Privatbank Rahn+Bodmer Co. zurück. Im Teil 2 von «Die Zürcher Seiden­in­dustrie» auf Turicana spricht Christian Rahn, Partner bei Rahn+Bodmer Co. über die damalige Zeit.


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