Der erste Teil der vorliegenden Triologie zum Thema Notfallkonzept für Unternehmerfamilien beleuchtete die vier wichtigsten Bereiche, die ein Familienunternehmen als vorbeugende Massnahmen für den Notfall definieren kann. Der zweite Teil widmet sich der Family Business-Governance, ein Begriff, der etwas abstrakt anmutet. Im Artikel legt Frank Halter, Initiant und Inhaber St. Galler Nachfolgemodell, dar, dass das Festhalten von Regeln auf Papier alleine nicht genügt. Die Entwicklung dieser Strukturen und ihre Veränderung beginnt im Kopf und Herz der involvierten Individuen und nimmt schliesslich in der Interaktion im Miteinander Gestalt an. Der Schlüssel dazu ist der Dialog.
Die HeteÂroÂgeÂniÂtät von FamiÂliÂenÂunÂterÂnehÂmen und UnterÂnehÂmerÂfaÂmiÂliÂen ist rieÂsig. Je nach AusÂgangsÂlaÂge und ZukunftsÂpläÂnen gilt es, unterÂschiedÂliÂche StrukÂtuÂren und rechtÂliÂche InstruÂmenÂte zu defiÂnieÂren. Im St.Galler-Nachfolge-Modell (www.sgnafo-modell.ch) spreÂchen wir von GoverÂnanÂce-StrukÂtuÂren, GoverÂnanÂce-InstruÂmenÂten und GoverÂnanÂce-ProÂzess. In dieÂsem ArtiÂkel liegt der Fokus auf dem GoverÂnanÂce-ProÂzess, was bedeuÂtet, dass etwas im ZeitÂRAUM entsteht.
Im Dialog mit sich selbst
FamiÂliÂenÂmitÂglieÂder – ob jung oder alt – sind angeÂhalÂten, sich selbst zu reflekÂtieÂren: «Wer bin ich, was will ich, was kann ich, was will ich nicht? Was sind meiÂne ErwarÂtunÂgen an mich selbst, was sind meiÂne BedürfÂnisÂse und was bin ich bereit, dafür zu leisÂten?» Eine gesunÂde SelbstÂreÂfleÂxiÂon in Bezug auf die perÂsönÂliÂchen GrundÂwerÂte (= HalÂtung), in Bezug auf die eigeÂnen AntrieÂbe und MotiÂvaÂtioÂnen (= BereitÂschaft) sowie in Bezug auf das eigeÂne Tun (= HandÂlung) sind sehr wertÂvoll, um insÂbeÂsonÂdeÂre in unsiÂcheÂren ZeiÂten die eigeÂne HandÂlungsÂfäÂhigÂkeit aufÂrecht erhalÂten zu könÂnen. Es gilt, die eigeÂnen ResÂsourÂcen zu erkenÂnen, zu verÂsteÂhen und im Anschluss sinnÂvoll zu nutÂzen und einzusetzen.
Polaritäten überwinden
Ob unter EheÂleuÂten, GeschwisÂtern oder in generaÂtiÂonsÂüberÂgreiÂfenÂden SituaÂtioÂnen: UnterÂschiedÂliÂche ResÂsourÂcen und BedürfÂnisÂse in Bezug auf die einÂzelÂnen IndiÂviÂduÂen könÂnen als etwas FruchtÂbaÂres oder eben auch FurchtÂbaÂres empÂfunÂden und erlebt werÂden. KurzÂfrisÂtig ist es vorÂderÂgrünÂdig viel einÂfaÂcher, seiÂne PosiÂtiÂon zu kenÂnen und dieÂse als nicht disÂkuÂtierÂbar zu verÂtreÂten. Damit ist die GrundÂlaÂge für ausÂgeÂprägÂte PolaÂriÂtäÂten geschafÂfen. Die VerÂhärÂtung von PosiÂtioÂnen hebelt die MeiÂnungsÂbilÂdung für etwas NeuÂes aus. Viel fruchtÂbaÂrer und konÂstrukÂtiÂver ist der DiaÂlog – auch wenn sich dieÂser für jeden einÂzelÂne anstrenÂgend anfühlt. Dies bedingt die grundÂleÂgenÂde BereitÂschaft, sich auf das GegenÂüber einÂzuÂlasÂsen, FraÂgen zu stelÂlen und auch das Sich-in-FraÂge-StelÂlen-LasÂsen zuzulassen.
Dialog schafft gemeinsame Wirklichkeit
Nur der DiaÂlog ermögÂlicht es, in FamiÂliÂenÂsysÂteÂmen neue Ideen, ModelÂle, GedanÂken und LösungsÂanÂsätÂze zu entÂwiÂckeln. Es ist ein gemeinÂsaÂmes RinÂgen um VisioÂnen, um SinnÂstifÂtenÂdes und damit um gemeinÂsaÂme ZieÂle. Dies soll auch unter BerückÂsichÂtiÂgung von priÂvaÂten FreiÂräuÂmen und klar defiÂnierÂten perÂsönÂliÂchen GrenÂzen gescheÂhen. In unseÂrer Arbeit spreÂchen wir dabei sehr gerÂne von der norÂmaÂtiÂven Kraft, die vom «SelbstÂverÂständÂnis FamiÂliÂenÂunÂterÂnehÂmen» ausÂgeht. DieÂser GemeinÂsinn kann EinÂgang finÂden in eine FamiÂliÂenÂcharÂta, in ein LeitÂbild, in eine FamiÂliÂenÂviÂsiÂon oder auch in ein Nachfolgeleitbild.
Selbstverständnis Familienunternehmen
Das RinÂgen um und für eine gemeinÂsaÂme Idee und damit eine gemeinÂsaÂme WirkÂlichÂkeit stellt dabei keiÂne einÂmaÂliÂge AktiÂon dar. Nur wenn FamiÂliÂenÂmitÂglieÂder regeÂmäsÂsig die Ideen und WertÂvorÂstelÂlunÂgen und auch die GrenÂzen überÂprüÂfen und neu ausÂhanÂdeln, kann VerÂänÂdeÂrung über die Zeit erkannt und adapÂtiert werÂden. DesÂhalb gilt es, im DiaÂlog zu bleiÂben. «Woher komÂmen wir? Wer sind wir? WarÂum sind wir hier? Wohin geht die ReiÂse? Wofür steÂhen wir? Was ist unseÂre AufÂgaÂbe als FamiÂlie?» DieÂse und ähnÂliÂche FraÂgen könÂnen AntÂwort geben auf die sogeÂnannÂte «LegaÂcy» und damit verÂbunÂden eben auch auf des SelbstÂverÂständÂnis FamiÂliÂenÂunÂterÂnehÂmen – die GrundÂlaÂge für die KulÂtur eines FamiÂliÂenÂunÂterÂnehÂmens und einer UnterÂnehÂmerÂfaÂmiÂlie. Dabei geht es quaÂsi um das Erbe hinÂsichtÂlich GrundÂwerÂte, die weiÂterÂgeÂgeÂben werÂden können.
Kommunikation als Schlüsselressource
«Ich meiÂne zu wisÂsen, was mein Vater denkt, und desÂhalb habe ich entÂschieÂden, dass ich es wie folgt mache.» Oder: «Ich weiss ja, wie meiÂne TochÂter funkÂtioÂniert, und desÂhalb habe ich für sie entÂschieÂden, dass…». SolÂche und ähnÂliÂche MomenÂte erleÂben wir immer wieÂder im UnterÂnehÂmerÂaÂllÂtag. Sind die getrofÂfeÂnen AnnahÂmen noch immer korÂrekt? Was ist heuÂte richÂtig und was ist falsch? KlarÂheit schafft nur eine expliÂziÂte KomÂmuÂniÂkaÂtiÂon. Zu dieÂsem Zweck kann es sehr wirÂkungsÂvoll sein, in einem ersÂten Schritt KomÂmuÂniÂkaÂtiÂonsÂreÂgeln zu defiÂnieÂren und zu lerÂnen, sich dieÂse anzuÂeigÂnen. Das TraiÂning und die RouÂtiÂne verÂänÂdern mit der Zeit die KomÂmuÂniÂkaÂtiÂonsÂkulÂtur. «Reden ist SilÂber, SchweiÂgen ist Gold.» Eben nicht! Wir wolÂlen und müsÂsen PolaÂriÂtäÂten überÂwinÂden, wenn sich ein FamiÂliÂenÂunÂterÂnehÂmen oder eine UnterÂnehÂmerÂfaÂmiÂlie für etwas GemeinÂsaÂmes engaÂgieÂren will. Im DiaÂlog kann verÂantÂworÂtungsÂvoll und zukunftsÂgeÂrichÂtet gestalÂtet werden.
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