Finanzplanung

Von der Lohnschere zur Vorsor­ge­lücke: Die finan­zi­ellen Folgen des Gender Pay Gap

Der Wirtschafts­no­bel­preis für die ameri­ka­nische Wirtschafts­his­to­ri­kerin Claudia Goldin ehrt ihre Pionier­arbeit im Zusam­menhang mit der Erfor­schung der Rolle von Frauen im Arbeits­markt. Eine Ihrer zentralen Erkennt­nisse: Der Lohnun­ter­schied zwischen Männern und Frauen hängt wesentlich mit der Mutter­schaft zusammen und hat auch Auswir­kungen auf die Vorsor­ge­si­tuation: Frauen erhalten bis zu einem Drittel weniger Rente als Männer. Woher kommt das, und wie kann «frau» dem entgegenwirken?

Doch zunächst der Reihe nach: Im Zusam­menhang mit der Einkom­mens­ge­rech­tigkeit ist ein viel disku­tierter Effekt der so genannte «Gender Income Gap» oder auch «Gender Pay Gap», also der Lohnun­ter­schied zwischen Mann und Frau. Verschiedene Studien kommen zum Schluss, dass dieser in der Schweiz im Durch­schnitt rund 18 % beträgt, wovon etwas mehr als die Hälfte mit objektiv messbaren Faktoren (Dienst­jahre, beruf­liche Stellung, Ausbil­dungs­niveau) erklärbar ist. Die restliche Differenz (rund 8 %) ist hingegen nicht objektiv erklärbar und enthält poten­ziell diskri­mi­nie­rende Elemente.

Ursachen für ungleiches Erwerbseinkommen

Der erklärbare Teil der Lohndif­ferenz erstaunt insofern, als dass heute die Start­be­din­gungen am Arbeits­markt für Männer und Frauen ebenbürtig sind. So lag der Anteil der Frauen bei den univer­si­tären Master­ab­schlüssen bereits im Jahr 2015 insgesamt bei 52 %. Auch die Erwerbs­quote von Männern und Frauen ist in diesem Alter praktisch identisch. Weshalb also dieser signi­fi­kante Lohnunterschied?

Die Unter­schiede in den Erwerbs­bio­grafien entstehen erst später, und zwar meist dann, wenn es bei der Zukunfts­planung um die Verein­barkeit von Beruf und Familie geht. Hier zeigt sich bei der Frage nach der Aufteilung von Erwerbs­tä­tigkeit und Kinder­be­treuung typischer­weise ein Rückfall in alte Rollen­muster.
Das liegt auch daran, dass Frauen statis­tisch gesehen meist jünger sind als ihr Partner und daher in der Regel auch an einem anderen Punkt in ihrer beruf­lichen Karriere stehen. Sie steuern damit oft den kleineren Teil zum Haushalts­budget bei. Aus Sicht einer finan­zi­ellen Optimierung ist es also verständlich, dass sie das Erwerbs­pensum stärker reduziert als er.

Geht es dann mit zuneh­mendem Alter der Kinder darum, das Erwerbs­pensum wieder zu erhöhen, steht diesem Schritt für Ehepaare oft ein steuer­licher Nachteil im Weg. Der als «Heirats­strafe» bekannte Effekt entsteht dadurch, dass die Einkommen der Eheleute zusam­men­ge­rechnet und damit stärker besteuert werden als bei Konku­bi­nats­paaren. Zudem haben Frauen zu diesem Zeitpunkt bereits eine wichtige Berufs­phase verpasst, in der sich die Karriere und damit auch das Einkommen entscheidend weiter­ent­wi­ckelt hätte. Auch wenn der Wieder­ein­stieg glückt, wirkt der Rückzug vom Erwerbs­leben meist lange nach, was sich auch daran zeigt, dass der Einkom­mens­un­ter­schied zwischen Männern und Frauen mit zuneh­mendem Alter grösser wird.

Vom «Income Gap» zum «Pension Gap»

Das Zusam­men­spiel gesell­schaft­licher sowie steuer­licher Faktoren führt also dazu, dass vor allem Heirat und Nachwuchs die Lohnschere zuungunsten der Frauen öffnen. Dies wird ebenfalls durch Lohnstudien unter­mauert, wonach der Gender Income Gap mit 5 % Gesamt­dif­ferenz bei ledigen Frauen viel weniger stark ausge­prägt ist als bei verheirateten.

Erwerbs­un­ter­bruch, Teilzeit­be­schäf­tigung und verpasste Lohnent­wicklung haben insbe­sondere langfristige Folgen für die eigene Vorsor­ge­si­tuation. Frauen erhalten heute insgesamt ein Drittel weniger Alters­renten als Männer, wobei der Renten­un­ter­schied fast ausschliesslich auf tiefere Leistungen aus der beruf­lichen Vorsorge zurück­zu­führen ist. Die mittlere Alters­rente aus der Pensi­ons­kasse beläuft sich bei Männern auf CHF 31’500 p.a., wohin­gegen Frauen lediglich eine mittlere Rente von CHF 13’300 p.a. erwarten können. Diese Tatsache wird auch als «Gender Pension Gap» bezeichnet. Da die indivi­duelle Erwerbs­bio­grafie ein Spiegel der späteren Renten­si­tuation ist, verwundert es wenig, dass insbe­sondere verhei­ratete Frauen und Mütter, die bereits aufgrund des «Income Gap» benach­teiligt sind, auch primär vom «Pension Gap» betroffen sind. Bei ihnen beträgt der Renten­un­ter­schied heute hohe 49 %.

Diese Tatsache ist umso bedenk­licher, als für Frauen das Risiko, im Alter durch Verwitwung, Trennung oder Scheidung allein­stehend zu sein, deutlich grösser ist als für Männer. So waren 2021 54 % der Frauen ab 65 nicht verhei­ratet, aber nur 30 % der Männer. Allein wohnen bedeutet vor allem auch, mit höheren Fixkosten konfron­tiert zu sein. Rund ein Viertel aller geschie­denen Frauen ist im Renten­alter auf Ergän­zungs­leis­tungen angewiesen. Zudem haben Frauen eine längere Lebens­er­wartung als Männer und müssen ohnehin einen längeren Ruhestand finanzieren.

Das Renteneinkommen von Frauen und der Gender Pension Gap

Wege aus der Ungleichheit – Die Politik ist gefragt

Doch auch von politi­scher Seite her sind Anstren­gungen notwendig: Die gesetz­lichen Rahmen­be­din­gungen unseres Vorsor­ge­systems tragen heute noch immer ihren Teil zum Gender Pension Gap bei: In der ersten Säule fehlen vor allem bei unver­hei­ra­teten Frauen mit Erzie­hungs­ver­ant­wortung wichtige Einkom­mens­jahre, welche zu einer Renten­re­duktion führen. Der Koordi­na­ti­ons­abzug in der beruf­lichen Vorsorge sorgt dafür, dass gerade bei Teilzeit­pensen wesent­liche Lohnbe­stand­teile nicht versi­chert sind; oft sind Neben­er­werbs­ein­kommen gar nicht versi­chert. Zudem kann in Jahren ohne eigenes Einkommen die dritte Säule nicht aufgebaut werden. Ein späteres Nachzahlen verpasster Beitrags­jahre ist nicht möglich. Hier wäre ein Anpassen der gesetz­lichen Bestim­mungen an die heutigen Erwerbs­rea­li­täten wünschenswert. Auch Arbeit­ge­be­rinnen und Arbeit­geber haben im Rahmen der Ausge­staltung des Pensi­ons­kas­sen­an­schlusses die Möglichkeit, Teilzeit­pensen besser zu versi­chern. Aber auch durch attraktive Arbeits­be­din­gungen wie Teilzeit­ka­der­stellen oder flexible Arbeits­zeiten können Arbeit­ge­be­rinnen und Arbeit­geber Hürden zum Wieder­ein­stieg abbauen.

Unabhängig von der Wahl des Haushalts- resp. Erzie­hungs­mo­dells scheint es aus finan­zi­eller Sicht ratsam, dass Frauen zumindest mit einem Fuss stets im Arbeits­prozess verbleiben. Ein möglichst eigen­ver­ant­wort­licher Aufbau der Alters­vor­sorge ist der beste Garant für einen finan­ziell abgesi­cherten Ruhestand.

Bei Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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Quellen:
Analyse der Löhne von Frauen und Männern anhand der Lohnstruk­tur­er­hebung 2014, Büro für arbeits- und sozial­po­li­tische Studien BASS, 2017; S. 76
BFS/SHIS, Studie­rende und Abschlüsse der schwei­ze­ri­schen Hochschulen, 2017
Schwei­ze­rische Arbeits­kräf­teer­hebung SAKE, BFS, 20222
Der Gender Pension Gap ist (k)eine Vorsor­ge­lücke, Swiss Life AG 2023
Frauen und Männer an Schweizer Hochschulen: Indika­toren zur Chancen­gleichheit in Studium und wissen­schaft­licher Laufbahn, Staats­se­kre­tariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI, 2017
Lohnstudie 2016, Kommission für die Gleich­stellung von Frau und Mann, Kanton Zürich, 2016
Erfassung des Gender Overall Earnings Gap und anderer Indika­toren zu geschlech­ter­spe­zi­fi­schen Einkom­mens­un­ter­schieden, Bericht des Bundes­rates, 2019


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