Stiftungen – so heisst es oft – sind sperrige Gebilde und auf Ewigkeit angelegt. Doch während sich die Welt in rasantem Tempo verändert, müssen sich auch Stiftungen weiterentwickeln, um ihre Relevanz für Generationen zu sichern. Die zentrale Herausforderung liegt darin, Traditionen zu pflegen und gleichzeitig Innovationen zuzulassen. Wie denkt man in und für Generationen, wenn der Stifterwille erstarrt ist und die Kontrolle durch Aufsichts- und Steuerbehörden scheinbar wenig Raum für Agilität lässt? Diesen Fragen sind wir am Zürcher Stiftungstag von Rahn+Bodmer Co. am 6. November 2025 nachgegangen.
Entscheidend ist die konsequente Fokussierung auf die Wirkung und die Nutzung der vorhandenen Spielräume. Die Rechtsform Stiftung bietet heute mehr Flexibilität als oft angenommen. Für Prof. Dr. Dominique Jakob, Leiter des Zentrums für Stiftungsrecht an der Universität Zürich, ist ein dynamisches Stiftungsverständnis die Basis für eine zeitgemässe Ausrichtung von Stiftungen. Auch die Behörden lassen vermehrt eine Weiterentwicklung zu. Um dem Stifterwillen zur grösstmöglichen Wirkung zu verhelfen, muss der Stiftungsrat seine Ermessensspielräume nutzen, den Stiftungszweck zeitgemäss interpretieren und die Förderstrategie kritisch hinterfragen.
Gestalten statt verwalten – der Paradigmenwechsel
Der Weg zu einer zeitgemässen Förderkultur führt damit häufig über die reine Projektförderung (à fonds perdu) hinaus. Neue Förderansätze wie die systemische, unternehmerische, partnerschaftliche oder partizipative Förderung sowie eine Weiterentwicklung der Stiftung rücken in den Fokus. Es geht darum, nicht nur Symptome zu lindern, sondern einen fundamentalen Unterschied in der Welt zu bewirken.
Drei innovative Ansätze aus der Praxis zeigen exemplarisch, was es bedeutet, zu gestalten statt nur zu verwalten:
So setzt die Gebert Rüf Stiftung auf unternehmerische Förderung. Um ausgewiesene Wirkung zu erzielen, hat sie mit ihren Kick Programmen und dem Kickfund durch eine einzigartige Kombination aus Förderung und Investition eine nachhaltige Wertschöpfungskette im Bereich der Innovations- und Start-Up-Förderung aufgebaut. Als Pionierin geht die Stiftung neue Wege und zeigt zugleich den Steuerbehörden, dass unternehmerische Förderung auf diesem Weg möglich ist. Die Erfahrung zeigt: Innovationsförderung kann gemeinnützig sein und ist ein entscheidendes Instrument, um Stiftungswirkung im besten Sinne zu entfalten. Die Direktorin Dr. Pascale Vonmont versteht Stiftungen dabei als Nischenplayer: «Wir sind dann besonders wirksam, wenn wir ein noch ungenutztes Potenzial in einer bislang unbeachteten Lücke aufgreifen – im Austausch mit Praxispartnern, nicht am Schreibtisch.»
Die Jacobs Foundation zeigt, wie evidenzbasiert ganze Systeme – etwa im Bildungsbereich – verändert werden können. Der systemische Ansatz ist klar wirkungsorientiert, ermöglicht Public Private Partnerships und mobilisiert zusätzliche Fördermittel und Investments. Dies ist nicht nur Grossstiftungen vorbehalten. Auch kleinere Stiftungen können durch Partnerschaften und die Skalierung von Fördergeldern systemische Wirkung erzielen. Co-CEO Simon Sommer rät hierbei, «das Problem, das man mit seiner Stiftung oder philanthropischen Tätigkeit angehen will, sorgfältig zu definieren und einzugrenzen. Ist es zu klein und unambitioniert, wird man irrelevant, ist es zu gross, wird man wirkungslos.»
Für Dr. Janine Händel, Geschäftsführerin der Jakob und Emma Windler-Stiftung, liegt die Antwort im klaren «Fokus auf Wirkung». Selbst sehr traditionelle Stiftungen können den Wandel vollziehen und sich den Herausforderungen unserer Zeit wirkungsorientiert öffnen. Dabei kommt es auf die Balance zwischen Tradition und Innovation an. Hierfür kann es auch notwendig sein, den Stiftungszweck neu zu interpretieren (womöglich sogar anzupassen) und die Statuten zeitgemäss auszulegen, um einen klaren Fokus zu setzen und die Zukunft wirkungsvoll mitzugestalten.
Wirkung, Mut, Offenheit und Partnerschaften
Zukunftsfähigkeit entsteht also dort, wo Stiftungen Wandel aktiv annehmen – ohne ihre Werte zu verlieren.
Dies erfordert Mut, um neue Wege zu gehen, Offenheit, um neue Wege zu weisen, und Partnerschaften, um gemeinsam die grösstmögliche Wirkung zu erzielen.
Die Notwendigkeit, in und für Generationen zu denken, ist somit eng mit der Wirkungsorientierung verknüpft. Mit einer langfristigen Strategie können Stiftungen ihre Traditionen pflegen und gleichzeitig als agile, wirkungsvolle Akteure den gesellschaftlichen Wandel aktiv mitgestalten.
Die zeitgemässe Förderkultur ist ein Schlüssel, um sich als Stiftung (dauernde) Relevanz zu sichern. Der Weg dorthin ist für Dominique Jakob klar: «Kenne die rechtlichen Spielräume und navigiere mutig darin – oder frei nach Asterix: immer eine Nasenlänge voraus.»
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