In den letzten Monaten häufen sich grosse Vendor Financing Deals zwischen führenden Techunternehmen. Besonders betroffen sind sogenannte Hyperscaler. Damit sind sehr grosse Cloudanbieter wie Amazon, Microsoft, Google oder spezialisierte KI Firmen wie OpenAI und Anthropic gemeint. Sie betreiben riesige Rechenzentren, skalieren ihre Infrastruktur laufend hoch und benötigen dafür enorme Mengen an Chips, Strom und Serverkapazitäten.
Aktuelle Beispiele
- OpenAI, Oracle, Nvidia: OpenAI plant über fünf Jahre Oracle Cloudservices für rund USD 300 Mrd. zu beziehen. Oracle kauft dafür Nvidia Chips im Wert von USD 40 Mrd. Nvidia wiederum investiert USD 100 Mrd. in OpenAI, das für sein «Stargate Projekt» in Texas Hardware im Wert von rund USD 500 Mrd. bestellt.
- OpenAI und AMD: OpenAI kann bis zu 10 Prozent an AMD erwerben, falls Leistungsziele erfüllt werden. Gleichzeitig verpflichtet sich OpenAI zum grossen Bezug von AMD Chips.
- OpenAI und Broadcom: Ein Deal über eine Beteiligung und die Nutzung von Broadcom Rechenzentren.
- Anthropic und Amazon: Amazon investiert USD 8 Mrd. und erhält Anthropic als strategischen AWS Kunden.
- Nvidia und CoreWeave: Nvidia investiert in CoreWeave und bleibt einer der wichtigsten GPU Lieferanten.
Diese Deals zeigen, wie stark Investitionen, Lieferverträge und technologische Abhängigkeiten ineinandergreifen.
Was ist Vendor Financing?
Vendor Financing bedeutet, dass ein Lieferant seinem Kunden den Kauf seiner Produkte finanziell erleichtert. Zum Beispiel durch längere Zahlungsfristen, Beteiligungen oder alternative Finanzierungsmodelle.
Vorteile für Verkäufer: Mehr Umsatz, bessere Marktposition, stärkere Kundenbindung.
Risiken: Höheres Kreditrisiko, besonders bei langen Laufzeiten.
Vorteile für Kunden: Schonung des Cashflows und oft bessere Konditionen.
Risiken: Grössere Abhängigkeit vom Lieferanten.
Warum Hyperscaler besonders involviert sind
Der Ausbau von Rechenzentren braucht enorme Vorinvestitionen: Chips, Server, Netzwerkgeräte, Software, Stromverträge oder Immobilien. Da diese Firmen extrem schnell wachsen, nutzen sie Vendor Financing zunehmend als strategisches Instrument. Fällt ein Teil der Kette aus, kann dies die gesamte Wertschöpfung betreffen.
Der Cash Conversion Cycle (CCC) als Monitoring Tool
Der Cash-Conversion-Cycle (CCC) ist eine Finanzkennzahl, die misst, wie lange ein Unternehmen benötigt, um seine Lagerbestände und Forderungen wieder in liquide Mittel umzuwandeln. Er gibt die Anzahl der Tage zwischen der Bezahlung der Lagerbestände und dem Zahlungseingang aus deren Verkauf an. Der Cash-Conversion-Cycle ist in Bezug auf das Vendor Financing deshalb wichtig, weil er die Effizienz des Working Capital misst. Komplexe Vendor Financing Strukturen mit wechselseitigen Beteiligungen können die Transparenz der tatsächlichen Liquiditätslage aber verschleiern
- Lagerdauer (Days Inventory Outstanding, DIO): Wie lange lagert das Unternehmen Waren, bevor sie verkauft werden.
- Vertriebsdauer (Days Sales Outstanding, DSO): Wie lange dauert es, bis die Forderungen nach Verkauf beglichen werden.
- Verbindlichkeitsdauer (Days Payable Outstanding, DPO): Wie lange benötigt das Unternehmen, Lieferanten zu bezahlen.
Formel: CCC = DIO + DSO – DPO
Ein hoher CCC bedeutet mehr gebundenes Kapital und potenziell mehr Liquiditätsbedarf. Durch komplexe Vendor Financing Strukturen wird die wahre Liquiditätslage aber oft erst verzögert sichtbar.
Fazit
Vendor Financing Deals beeinflussen Aktienkurse kurzfristig positiv. Die Risiken tauchen erst später in Bilanz und Cashflow auf. Aufgrund der wechselseitigen Beteiligungen und grossen Abhängigkeiten wird es immer schwieriger, die echte Finanzlage von Techunternehmen sauber zu beurteilen.
Der CCC bleibt ein sinnvolles Monitoring Instrument, doch noch wichtiger ist es, die Anzahl, Grösse und Komplexität neuer Vendor Financing Deals im Blick zu behalten. Oft haben gerade diese den unmittelbarsten Einfluss auf Marktstimmung und Aktienpreis.
Bei Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen unsere Kundenberaterinnen und Kundenberater gerne zur Verfügung.
Bei Anregungen zum Notablog wenden Sie sich bitte an notablog@rahnbodmer.ch.
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