Erbstreitigkeiten sind keine Seltenheit — viele haben sie im familiären Umfeld miterlebt oder waren selbst betroffen. Oft scheint eine Familie harmonisch zu funktionieren, bis ein Todesfall eintritt und sich das Beziehungsgeflecht unter dem Aspekt von Trauer, Erwartungen oder Spannungen aus der Vergangenheit verändert. Plötzlich wird um Besitz gerungen, man fühlt sich benachteiligt oder alte Konflikte brechen auf. Die emotionale Belastung wird durch die rechtliche Komplexität verschärft. Ein entscheidender Punkt kommt hinzu: Solange eine Erbengemeinschaft besteht, müssen die Erbinnen und Erben gemeinsam entscheiden. Dieses Einstimmigkeitsprinzip soll schützen, birgt aber auch Konfliktpotenzial, wenn die Interessen auseinandergehen oder aufgrund fehlender Kommunikation Missverständnisse entstehen.
Wir begleiten unsere Kundinnen und Kunden seit Jahrzehnten bei der Nachlassplanung und als Willensvollstreckerin. In der Praxis haben sich fünf Strategien bewährt, mit denen sich Konfliktpotenziale nicht gänzlich vermeiden, jedoch erheblich entschärfen lassen:
Transparente Kommunikation und zuhören
Der offene Austausch mit den künftigen Erbinnen und Erben ist ein zentrales Element. Dabei geht es nicht nur darum, die eigenen Wünsche mitzuteilen, sondern einen Dialog zu führen. Oft gehen Erblasserinnen oder Erblasser davon aus, dass ihr Wille klar ist, doch häufig zeigt sich, dass die Erben Dinge anders verstehen oder (berechtigte) Fragen aufwerfen. Lebzeitige Gespräche schaffen Klarheit und sorgen dafür, dass sich alle Beteiligten gehört und ernst genommen fühlen. Wichtig ist auch die Offenlegung wesentlicher Vermögensbestandteile. Nur wenn die Erbinnen und Erben wissen, welche Werte vorhanden sind, können sie die Planung nachvollziehen und mittragen.
Tipp 1: Haben Sie Mut für diese Gespräche und schieben Sie diese nicht auf. Oft hilft es, wenn eine neutrale Person das Gespräch begleitet.
Den letzten Willen mit juristischer Präzision festhalten
Der letzte Wille muss rechtlich klar und wirksam festgehalten werden. Dabei ist professionelle Unterstützung unverzichtbar. Nicht umsonst werden in der Praxis viele Testamente angefochten oder führen zu Konflikten. Eine Fachspezialistin oder ein Fachspezialist sorgt nicht nur für die Verwirklichung Ihrer Wünsche und die korrekte Formulierung des letzten Willens, sondern kennt auch die rechtlichen Gestaltungsspielräume inklusive steuerlicher Optimierungen.
Tipp 2: Verlassen Sie sich nicht auf eigene Formulierungen oder Standardlösungen. Ein massgeschneidertes Dokument (z.B. Testament oder Erbvertrag) ist entscheidend, um späteren Auseinandersetzungen vorzubeugen.
Lebzeitige Zuwendungen
Lebzeitige Zuwendungen in Form von Schenkungen oder Erbvorbezügen sind ein beliebtes Mittel, um Vermögen frühzeitig weiterzugeben und den Nachlass aktiv zu gestalten. Sie bieten die Möglichkeit, mögliche Konflikte vorab zu entschärfen. Insbesondere dann, wenn einzelne Vermögenswerte emotional oder wirtschaftlich bedeutsam sind. Doch genau hier liegt auch einer der häufigsten Streitpunkte: Wer hat was bereits erhalten? Welcher Anrechnungswert ist in der Erbteilung massgebend? Wurden Unterstützungsbeiträge für Ausbildungen geleistet? Durfte jemand jahrelang verbilligt wohnen? Eine wahrgenommene Ungleichbehandlung kann Spannungen auslösen, ungeachtet der objektiven Vermögenswerte. Die Gleichbehandlung der Nachkommen ist für eine friedliche Erbteilung empfehlenswert. Wenn eine Gleichbehandlung nicht möglich oder gewünscht ist, ist eine lückenlose Dokumentation entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden.
Tipp 3: Dokumentieren Sie alle lebzeitigen Zuwendungen sorgfältig und halten Sie fest, ob diese in der Erbteilung an den Erbteil angerechnet werden müssen oder nicht. Sodann sind die lebzeitigen Zuwendungen mit Ihrer Nachlassregelung in Einklang zu bringen.
Teilungsvorschriften nutzen
Eine Teilungsvorschrift legt nicht die Grösse eines Erbteils fest, sondern nimmt inhaltlich Einfluss auf die Erbteilung.
Beispiele:
- Die Art und Weise, wie der Wert eines Nachlassgegenstandes (z.B. Liegenschaften, Schmuck, Kunst, Sammlungen), der für die Erbteilung gelten soll, ermittelt wird.
- Die Zuweisung von oder das Vorwahlrecht an Nachlassgegenständen.
- Der Umgang mit Nachlassgegenständen, die keiner der Erben übernehmen möchte.
Tipp 4: Nutzen Sie das Instrument der Teilungsvorschriften und achten Sie darauf, dass diese klar und konkret formuliert werden.
Einsetzung eines Willensvollstreckers
Rein rechtlich kann ein Nachlass perfekt geplant sein. Familiäre Spannungen lassen sich jedoch nie ganz ausschliessen. Mit der Einsetzung eines Willensvollstreckers stellen Sie sicher, dass eine natürliche oder juristische Person die Erbinnen und Erben in allen Belangen unterstützt, den Nachlass verwaltet, die Erbteilung vorbereitet und insbesondere auch bei Streitigkeiten durch diplomatisches Geschick Spannungen abzufedern weiss.
Tipp 5: Setzen Sie unbedingt eine Person mit Fachkenntnissen im Ehe‑, Erb- und Steuerrecht als Willensvollstrecker ein.
Fazit
Wer frühzeitig und professionell vorsorgt, schützt sein Vermögen und seine Familie. Unsere Fachspezialistinnen und Fachspezialisten begleiten Sie auf diesem Weg diskret, kompetent und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl. Sprechen Sie uns an, wir beraten Sie gerne individuell.
Bei Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen unsere Kundenberaterinnen und Kundenberater gerne zur Verfügung.
Bei Anregungen zum Notablog wenden Sie sich bitte an notablog@rahnbodmer.ch.
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