Heinz Rüttimann
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Vendor Financing in der Techin­dustrie kurz erklärt

In den letzten Monaten häufen sich grosse Vendor Financing Deals zwischen führenden Techun­ter­nehmen. Besonders betroffen sind sogenannte Hypers­caler. Damit sind sehr grosse Cloudan­bieter wie Amazon, Microsoft, Google oder spezia­li­sierte KI Firmen wie OpenAI und Anthropic gemeint. Sie betreiben riesige Rechen­zentren, skalieren ihre Infra­struktur laufend hoch und benötigen dafür enorme Mengen an Chips, Strom und Serverkapazitäten.

Aktuelle Beispiele

  • OpenAI, Oracle, Nvidia: OpenAI plant über fünf Jahre Oracle Cloud­ser­vices für rund USD 300 Mrd. zu beziehen. Oracle kauft dafür Nvidia Chips im Wert von USD 40 Mrd. Nvidia wiederum inves­tiert USD 100 Mrd. in OpenAI, das für sein «Stargate Projekt» in Texas Hardware im Wert von rund USD 500 Mrd. bestellt.
  • OpenAI und AMD: OpenAI kann bis zu 10 Prozent an AMD erwerben, falls Leistungs­ziele erfüllt werden. Gleich­zeitig verpflichtet sich OpenAI zum grossen Bezug von AMD Chips.
  • OpenAI und Broadcom: Ein Deal über eine Betei­ligung und die Nutzung von Broadcom Rechenzentren.
  • Anthropic und Amazon: Amazon inves­tiert USD 8 Mrd. und erhält Anthropic als strate­gi­schen AWS Kunden.
  • Nvidia und CoreWeave: Nvidia inves­tiert in CoreWeave und bleibt einer der wichtigsten GPU Lieferanten.

Diese Deals zeigen, wie stark Inves­ti­tionen, Liefer­ver­träge und techno­lo­gische Abhän­gig­keiten ineinandergreifen.

Was ist Vendor Financing?

Vendor Financing bedeutet, dass ein Lieferant seinem Kunden den Kauf seiner Produkte finan­ziell erleichtert. Zum Beispiel durch längere Zahlungs­fristen, Betei­li­gungen oder alter­native Finanzierungsmodelle.

Vorteile für Verkäufer: Mehr Umsatz, bessere Markt­po­sition, stärkere Kunden­bindung.
Risiken: Höheres Kredit­risiko, besonders bei langen Laufzeiten.

Vorteile für Kunden: Schonung des Cashflows und oft bessere Kondi­tionen.
Risiken: Grössere Abhän­gigkeit vom Lieferanten.

Warum Hypers­caler besonders invol­viert sind

Der Ausbau von Rechen­zentren braucht enorme Vorin­ves­ti­tionen: Chips, Server, Netzwerk­geräte, Software, Strom­ver­träge oder Immobilien. Da diese Firmen extrem schnell wachsen, nutzen sie Vendor Financing zunehmend als strate­gi­sches Instrument. Fällt ein Teil der Kette aus, kann dies die gesamte Wertschöpfung betreffen.

Der Cash Conversion Cycle (CCC) als Monitoring Tool

Der Cash-Conversion-Cycle (CCC) ist eine Finanz­kennzahl, die misst, wie lange ein Unter­nehmen benötigt, um seine Lager­be­stände und Forde­rungen wieder in liquide Mittel umzuwandeln. Er gibt die Anzahl der Tage zwischen der Bezahlung der Lager­be­stände und dem Zahlungs­eingang aus deren Verkauf an. Der Cash-Conversion-Cycle ist in Bezug auf das Vendor Financing deshalb wichtig, weil er die Effizienz des Working Capital misst. Komplexe Vendor Financing Struk­turen mit wechsel­sei­tigen Betei­li­gungen können die Trans­parenz der tatsäch­lichen Liqui­di­tätslage aber verschleiern

  • Lager­dauer (Days Inventory Outstanding, DIO): Wie lange lagert das Unter­nehmen Waren, bevor sie verkauft werden.
  • Vertriebs­dauer (Days Sales Outstanding, DSO): Wie lange dauert es, bis die Forde­rungen nach Verkauf beglichen werden.
  • Verbind­lich­keits­dauer (Days Payable Outstanding, DPO): Wie lange benötigt das Unter­nehmen, Liefe­ranten zu bezahlen.

Formel: CCC = DIO + DSO – DPO

Ein hoher CCC bedeutet mehr gebun­denes Kapital und poten­ziell mehr Liqui­di­täts­bedarf. Durch komplexe Vendor Financing Struk­turen wird die wahre Liqui­di­tätslage aber oft erst verzögert sichtbar.

Fazit

Vendor Financing Deals beein­flussen Aktien­kurse kurzfristig positiv. Die Risiken tauchen erst später in Bilanz und Cashflow auf. Aufgrund der wechsel­sei­tigen Betei­li­gungen und grossen Abhän­gig­keiten wird es immer schwie­riger, die echte Finanzlage von Techun­ter­nehmen sauber zu beurteilen.

Der CCC bleibt ein sinnvolles Monitoring Instrument, doch noch wichtiger ist es, die Anzahl, Grösse und Komple­xität neuer Vendor Financing Deals im Blick zu behalten. Oft haben gerade diese den unmit­tel­barsten Einfluss auf Markt­stimmung und Aktienpreis.

Bei Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen unsere Kunden­be­ra­te­rinnen und Kunden­be­rater gerne zur Verfügung.

Bei Anregungen zum Notablog wenden Sie sich bitte an notablog@rahnbodmer.ch.

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