Hans J. Bidermann trat 1958 in die Bank Rahn+Bodmer Co. ein. Von 1964 bis 2000 war er Partner und arbeitete danach noch bis 2022 als Kundenberater, gemeinsam mit seinen Söhnen Martin und Christian Bidermann sowie auch seinem Enkel Jay Bidermann. Heute blickt er mit ihm zurück auf über sechs Jahrzehnte Bankgeschichte – und auf drei Generationen unter einem Dach.
Jay Bidermann: Unsere Bank wird dieses Jahr 275 Jahre alt. Was bedeutet Dir diese Zahl ganz persönlich?
Hans J. Bidermann: Sie steht für Beständigkeit – und dafür, dass wir immer wieder schwierige Zeiten überstanden haben. 275 Jahre, das ist schon etwas Beeindruckendes. Da spürt man, dass es immer Menschen gab, die Verantwortung übernommen und die Bank durch alle Umstände getragen haben.
Du warst fast 40 Jahre Partner. Gibt es Momente, die Dir besonders in Erinnerung geblieben sind?
Viele, natürlich. Aber wenn ich an eine denke, dann an den Einstieg ins Computerzeitalter. Viele kleinere Banken sind damals ins Straucheln geraten oder verschwunden. Wir haben das geschafft – und konnten von da an wachsen. Das war ein wichtiger Wendepunkt.
Und dann gibt es die sehr persönlichen Momente: In New York beim Abendessen mit Christian Rahn, als er ohne zu zögern zusagte, Partner zu werden, als ich ihm im Namen des Partnergremiums das Angebot machte. Das war für mich ein Glücksmoment – für mich persönlich und für die Bank.
Du hast mit Deinem Vater, meinem Urgrossvater, zusammengearbeitet – und später auch mit meinem Vater, meinem Onkel und mit mir. Wie war das für Dich?
Für mich war das ein grosses Geschenk. Drei Generationen zusammen in der Bank – das erlebt man nicht oft. Natürlich bedeutete es auch, loszulassen und Verantwortung abzugeben. Aber genau das gehört dazu: Vertrauen aufbauen, Schritt für Schritt.
Ich glaube, es fällt mir nicht schwer, loszulassen. Anfangs hast Du mich ja manchmal angerufen, und mich um Rat gefragt. Heute musst Du das nicht mehr – Du kennst die Antworten längst selbst. Das macht mich stolz.
Was hast Du von Deinem Vater Richard M. Bidermann gelernt – und was vielleicht anders gemacht?
Mein Vater war stark auf das Personal fokussiert. Die Geschichten, die ehemalige Mitarbeitende heute noch von ihren Bewerbungsgesprächen mit ihm erzählen, zeigen, wie beeindruckend er war. Ich selbst habe andere Schwerpunkte gesetzt: Für mich waren die Kundenbeziehungen zentral.
Es ging dabei nie nur um Wertschriften. Man sprach über Erbschaften, über die Schule der Kinder, über Reisen. Viele Kundinnen und Kunden wurden zu Freundinnen und Freunden. Wir haben sie bei uns zu Hause empfangen, Deine Grossmutter hat sie bewirtet, und so sind persönliche Verbindungen entstanden, die ein Leben lang hielten. Diese Nähe war für mich entscheidend.
In Deiner aktiven Zeit hat sich die Welt stark verändert. Wie hast Du die Entwicklung der Bank erlebt?
Als ich anfing, gab es noch fast 70 Privatbankiers. Heute sind es nur noch fünf. Manche wuchsen zu schnell, andere scheiterten an der Nachfolgelösung oder gingen in grossen Instituten auf.
Wir hatten auch herausfordernde Zeiten. In den 1990er-Jahren wurden wir – wie andere Banken – mit externen Untersuchungen zu namenlosen Konti konfrontiert. Das war belastend.
Gleichzeitig wurde vieles einfacher. Ich erinnere mich gut daran, wie ich noch Coupons von Wertschriften abschneiden und einlösen musste. Stundenlange Arbeit, nur damit man ein paar Franken verbuchen konnte. Heute ist das unvorstellbar. Und auch der Börsenhandel war damals sehr physisch, mit Telefonaten, handschriftlichen Bestätigungen. Heute läuft alles elektronisch, so dass man mehr Zeit hat, sich auf die Kundinnen und Kunden zu fokussieren. Das finde ich sehr positiv.
Du bist unglaublich viel gereist, während Grossmutter zu Hause die Familie geführt hat. Was hat Dir an der Kundenarbeit am meisten Freude gemacht?
Ganz klar: die persönlichen Beziehungen. Kunden, die uns neuen Kundinnen und Kunden empfahlen, waren die beste Werbung. Und es ist schön zu sehen, wie sich diese Verbindungen über Generationen fortsetzen: Meine Kundinnen und Kunden wurden später von Deinem Vater oder Onkel betreut, und deren Kinder sind heute Deine Kundschaft. Das ist ein Kontinuum, das mich sehr glücklich macht.
Wenn Du an die Zukunft denkst – was wünschst Du Dir für die nächsten Jahrzehnte unserer Bank und für uns als Familie?
Mir ist wichtig, dass das Interesse bleibt – aber ohne Druck. Niemand soll verpflichtet sein, in die Bank einzutreten. Das war bei mir auch so: Nachdem ich berufliche Erfahrung in Afrika und den USA sammeln konnte, habe ich mich bewusst entschieden, zurückzukommen, und in die Bank einzusteigen. Mein Vater hat mich nie gezwungen, aber er hat sich gefreut. Ich denke, so ist es am schönsten.
Für die Bank wünsche ich mir, dass sie bestehende Kundinnen und Kunden weiterhin gut begleitet, neue gute Kundschaft gewinnt und kontrollierte Risiken eingeht. Herausforderungen gibt es immer – entscheidend ist, wie man mit ihnen umgeht.
Und für mich persönlich bleibt eine einfache Wahrheit: Ich bin immer gern arbeiten gegangen. Selbst in den Zeiten, als wir am Samstag bis drei Uhr nachmittags im Büro sassen.
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