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Börsen­gänge in der Schweiz

Was ist ein IPO?

Unter einem IPO (engl. für Initial Public Offering) versteht man einen Börsengang, also die Kotierung der Aktien eines Unter­nehmens in einem organi­sierten Kapital­markt. Wenn dabei Aktien aus dem Bestand der Altak­tionäre oder aus einer Kapital­erhöhung angeboten werden, wird von einer Erstplat­zierung gesprochen. Werden bestehende Aktien zum Verkauf angeboten, so nennt man dies eine Zweitplatzierung.

Warum machen Firmen einen IPO?

Ein Haupt­grund für den Börsengang ist die Gewinnung von finan­zi­ellen Mitteln durch die Ausgabe neuer Aktien. Dieses Geld wird oft für Wachs­tums­stra­tegien, Inves­ti­tionen oder die Stärkung des Eigen­ka­pitals verwendet. Oftmals wird mit einem Börsengang eine Steigerung des Bekannt­heits­grades im Hinblick auf die Gewinnung von grösseren Kunden­auf­trägen angestrebt. Ebenfalls möchten gewisse Unter­nehmen die Fremd­ka­pi­tal­zinsen durch eine bessere Bonität verringern, welche durch einen Börsengang und die Erhöhung des Eigen­ka­pitals durch die Ausgabe von Aktien, also die Verbes­serung der Bilanz­si­tuation erzielt werden kann. In der Schweiz ist auch sehr oft zu beobachten, dass Famili­en­un­ter­nehmen, welche keine Nachfol­ge­lösung haben, den Gang aufs Parkett als Ausweg wählen. In diesem Falle kann der Börsengang einen verbes­serten Zugang zu quali­fi­ziertem Mitar­bei­ter­per­sonal mit sich bringen.

Was sind die Risiken eines IPO?

Ein grosses Risiko bei einem Börsengang ist die Entschei­dungs­findung, welche nach dem IPO durch die Aktionäre mittels Mehrheits­ab­stimmung bei der Haupt­ver­sammlung abgesegnet werden. Somit verlieren die vorhe­rigen Entschei­dungs­träger an Einfluss, was die Handlungs­fä­higkeit des Unter­nehmens mindern kann. Ein weiterer Nachteil ist die Verpflichtung der regel­mäs­sigen Bilanz-Offen­legung. Diese kurzfristige Betrachtung steht oft im Wider­spruch zur langfris­tigen Strategie einer Unter­nehmung. Auch ein Nachteil eines Börsen­gangs kann das Risiko von feind­lichen Übernahmen oder dem Einstieg von einfluss­neh­menden Gross­in­ves­toren sein.
Für kleine Unter­nehmen kann ein Börsengang sehr teuer sein. Denn die Banken, welche den Prozess sowie die Preis­findung gestalten, kosten viel Geld. Genau diese Preis­findung kann auch ein Risiko darstellen. Die beauf­tragten Banken versuchen einen Preis zu finden, welcher die Inves­to­ren­ge­meinde zu zahlen bereit ist. Sind diese Annahmen der Banken falsch, entsteht beim Börsengang das Risiko, dass der Kurs sinkt.

Rückblick der IPOs seit 2004

Seit 2004 gingen in der Schweiz 48 «richtige» IPO’s (ohne Spin-Off’s) über die Bühne. Die beiden stärksten Jahre waren 2014 resp. 2018 mit jeweils 6 erfolg­reichen Börsen­gängen. Lediglich 2009, im Jahr der Finanz­krise, wagte sich kein Unter­nehmen an die Börse.
Die durch­schnitt­liche annua­li­sierte Perfor­mance der IPO’s seit deren jewei­liger Lancierung liegt bei 3 %. Am besten entwi­ckelt hat sich VAT (41 % p.a.), Partners Group (21 % p.a.) respektive Medartis (17 % p.a.) welche 2016, 2006 und 2018 ihre Bücher öffneten. Insgesamt notieren 67 % der Unter­nehmen seit Lancierung im positiven Bereich.
Schaut man sich die kumulative Perfor­mance aller IPO’s an, hat dieser gebildete gleich­ge­wichtete Index (Composite) seit 2004 eine Perfor­mance von über 300 % erzielt, verglichen mit knapp 200 % des SPI als Referenz­index. Hätte man lediglich die ersten 4 Tage jedes IPO’s mitge­macht und danach die Positionen aktiv wieder verkauft, läge die Rendite kumuliert sogar bei 800 %.

 

Composite Rendite

 

In den letzten beiden Jahren traten 11 Unter­nehmen an die Börse. Ansehnlich entwi­ckelten sich neben Medartis die Aktien von Sensirion sowie Stadler. Klingelnberg, Zur Rose und Polyphor verbuchen jedoch seit der Lancierung grosse Verluste von über 20 %.

 

2019 kamen mit Medacta sowie Stadler Rail zwei Unter­nehmen an die Börse. Zudem spaltete Novartis die Augen­sparte Alcon ab. Während Medacta mit der teuren Expan­si­ons­stra­tegie und hoher Bewertung nicht sonderlich überzeugen konnte, zeigte Stadler einen sehr erfolgs­ver­spre­chenden Business Plan und kann bereits als Börsen­liebling bezeichnet werden. Alcon, welche sich noch immer im Turnaround befindet, legte ebenfalls stark zu, muss die hohe Bewertung aber noch rechtfertigen.

Ausblick 2019

Die Pipeline für die restlichen Monate im Jahr 2019 der Firmen, die einen Börsengang in Erwägung ziehen, ist gross. Dies hängt aber im Wesent­lichen von der Wirtschafts- sowie Börsenlage ab. Allen voran wird das IPO der Automa­ten­ver­pfle­gungs­firma Selecta erwartet. Der europäische Markt­führer ist mit über 460’000 zur Verfügung stehenden Maschinen und Automaten und einem Umsatz von über EUR 1.5 Mrd. bei einer EBITDA-Marge von ca. 17.5 % (2018) ein grosser Börsen­kan­didat. Lediglich die Bilanz­si­tuation sowie der noch negative freie Cashflow ist gewissen Inves­toren ein Dorn im Auge. Wir gehen bei Selecta, welche ca. 3.5 % wachsen dürfte, von einer Börsen­ka­pi­ta­li­sierung von ca. CHF 2 Mrd. aus.
Neben Selecta gibt es weitere Kandi­daten, welche poten­ziell über eine Milliarde gross sein könnten. Dazu zählen die beiden Software-Unter­nehmen Avaloq und SoftwareOne sowie die Medtech Firma Thommen Medical oder der Verpa­ckungs­her­steller Model AG. Auch der inter­na­tionale Teil von Ruag könnte diese Bewer­tungs­grenze erreichen. In der zweiten Reihe stehen kleinere Unter­nehmen wie Implantica, Crowd­house, Aluflex oder Mathys.

 

Bei Fragen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

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